Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025: Infos für Unternehmen
Juli 2025
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Axiom Law

Ende Juni 2025 ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft getreten und verpflichtet Unternehmen seither, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Das Gesetz betrifft insbesondere Webseiten, Apps und Onlineshops, die direkt an Verbraucher*innen gerichtet sind. Erfahren Sie hier, was Unternehmen dafür wissen müssen und wie Axiom Sie bei der Umsetzung der BFSG-Anforderungen beraten und unterstützen kann.
Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein deutsches Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen. Es verpflichtet Unternehmen, ihre digitalen Angebote so zu gestalten, dass sie für alle Menschen zugänglich sind, einschließlich Personen mit Behinderungen. Das Gesetz ist am 28. Juni 2025 in Kraft getreten und betrifft sowohl Produkte als auch Dienstleistungen, die für Verbraucher*innen bereitgestellt werden.
Hintergrund und Zielsetzung
Das Hauptziel des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist die Förderung der digitalen Barrierefreiheit, um allen Menschen die gleichberechtigte Teilhabe an Online-Angeboten zu ermöglichen. Dies umfasst insbesondere Menschen mit Behinderungen, ältere Personen und Menschen mit wenig Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien. Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie soll einheitliche Barrierefreiheit in der EU erreicht werden.
Behörden und andere öffentliche Einrichtungen waren bereits verpflichtet, ihre Internetseiten barrierefrei zu gestalten. Mit dem BFSG wird diese Pflicht nun auf private Wirtschaftsakteur*innen ausgeweitet und umfasst sowohl bestimmte Produkte als auch Dienstleistungen von Unternehmen.
Anwendungsbereich ab 2025
Seit dem 28. Juni 2025 gelten die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes für folgende Produkte:
- Hardwaresysteme einschließlich Betriebssysteme
- Selbstbedienungsterminals wie Geldautomaten oder Check-in-Automaten
- Verbraucherendgeräte für Telekommunikationsdienste oder audiovisuelle Mediendienste
- E-Book-Lesegeräte
Außerdem gilt das BFSG insbesondere für folgende Dienstleistungen:
- Telekommunikationsdienste
- Elemente von Personenbeförderungsdiensten wie Webseiten, Apps und elektronische Tickets
- Bankdienstleistungen für Verbraucher
- E-Books und entsprechende Software
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen?
Das BFSG richtet sich an Hersteller, Importeure, Händler und Dienstleister, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten. Betroffen sind sowohl große Unternehmen als auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sofern ihre Angebote unter die gesetzlich definierten Kategorien fallen.
Ausnahmen gelten für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme unter zwei Millionen Euro. Diese Unternehmen sind gemäß § 3 Abs. 3 BFSG von den Anforderungen ausgenommen, es sei denn, sie fallen unter das Produktsicherheitsrecht.
Pflichten für öffentlichen und privaten Sektor
Behörden und Unternehmen müssen sicherstellen, dass Websites und Onlineshops den Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG, Level AA) entsprechen. Das bedeutet u. a.:
- Textalternativen für Bilder
- Bedienbarkeit ohne Maus, z.B. per Tastatur
- Ausreichende Farbkontraste
- Skalierbare Schriftgrößen
- Navigierbarkeit per Screenreader
- Konsistente Strukturierung und Überschriftenlogik
- Untertitel für Videos
- Verständliche Sprache
Produkte und Dienstleistungen müssen ohne fremde Hilfe nutzbar sein. Hersteller sind verpflichtet, Konformität mit der Verordnung zum Barrierefreiheitsgesetz (BFSGV) sicherzustellen, inkl. CE-Kennzeichnung und EU-Konformitätserklärung. Händler und Importeure dürfen Produkte nur anbieten, wenn alle Anforderungen erfüllt und Unterlagen barrierefrei vorliegen. Dienstleister müssen Informationen gemäß Anlage 3 BFSG barrierefrei zugänglich machen.
Betroffene digitale Angebote (Websites, Apps)
Websites und mobile Apps, die unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fallen, müssen den Anforderungen der Norm EN 301 549 entsprechen. Diese basiert auf den WCAG 2.1 (Stufe AA) und verlangt unter anderem. Dienstleistungserbringer müssen zudem eine Barrierefreiheitserklärung veröffentlichen.
Wesentliche Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes 2025
Das BFSG legt also verbindliche Anforderungen an die Gestaltung von bestimmten Produkten und Dienstleistungen fest, damit diese für Menschen mit Behinderungen, altersbedingten oder vorübergehenden Einschränkungen barrierefrei nutzbar sind. Die konkreten technischen und funktionalen Anforderungen ergeben sich nicht direkt aus dem Gesetz selbst, sondern aus der Barrierefreiheitsanforderungsverordnung (BFSGV), die gemäß § 3 Abs. 2 BFSG erlassen wurde.
Vorgeschriebene Barrierefreiheitsstandards
Das BFSG baut auf mehreren Ebenen auf: internationalen WCAG-Richtlinien, dem EU-weiten European Accessibility Act und der Norm EN 301 549. Diese Norm konkretisiert die bereits genannten Anforderungen wie Kontraste, Tastaturnavigation und Alternativtexte.
Dienstleistungen und Produkte gelten als konform, wenn sie harmonisierten Normen oder technischen Spezifikationen entsprechen. Die EN 301 549 verweist aktuell auf WCAG 2.1 und bald auf WCAG 2.2.
Die technische Umsetzung richtet sich nach der BFSGV. Prüfschritte und Erläuterungen sind u. a. über die Plattform „bitvtest.de“ einsehbar.
Dokumentations- und Meldepflichten
Hersteller müssen prüfen und dokumentieren, dass Produkte barrierefrei sind. Dies umfasst eine technische Dokumentation, die Konformität mit der BFSGV nachweist, sowie eine CE-Kennzeichnung. Änderungen am Produkt machen eine erneute Prüfung erforderlich.
Die technische Dokumentation und EU-Konformitätserklärung müssen mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden. Zudem müssen Hersteller auftretende Beschwerden und Nichtkonformitäten dokumentieren und die Marktüberwachungsbehörden bei Problemen informieren.
Das soll sicherstellen, dass Barrierefreiheitsanforderungen langfristig eingehalten werden und nachvollziehbar dokumentiert sind.
Fristen und Durchsetzung
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt seit dem 28. Juni 2025. Seither dürfen Produkte und Dienstleistungen nur noch in barrierefreier Form angeboten werden. Für einige Bereiche wie Selbstbedienungsterminals gelten längere Übergangsfristen (§ 38 BFSG), zum Beispiel fünf oder 15 Jahre.
Die Marktüberwachung erfolgt zentral durch eine neue Anstalt öffentlichen Rechts mit Sitz in Sachsen-Anhalt – die Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF). Diese prüft stichprobenartig oder auf Beschwerde.
Bei Verstößen wird ein gestuftes Verfahren angewendet: Zunächst erfolgt eine Aufforderung zur Nachbesserung. Bleibt diese unbeantwortet, drohen Bußgelder bis zu 100.000 Euro oder ein Verkaufsverbot. Die Prüfung erfolgt formal beispielsweise über eine Konformitätserklärung und materiell über die tatsächliche Barrierefreiheit.
Herausforderungen bei der Umsetzung der BFSG-Anforderungen
Die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen nach dem BFSG ist ein fortlaufender Prozess. Jede Änderung an digitalen Angeboten, wie Websites oder Apps, muss sorgfältig auf Barrierefreiheit geprüft werden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass alle Nutzer*innen dauerhaft uneingeschränkten Zugang erhalten. Unternehmen stehen dabei vor vielfältigen technischen, rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen.
Komplexität rechtlicher und technischer Vorgaben
Das BFSG fordert umfassende Anpassungen auf mehreren Ebenen. Unternehmen müssen ihre digitalen Produkte so gestalten, dass sie für unterschiedliche Assistenztechnologien zugänglich sind. Komplexe Benutzeroberflächen und veraltete Systeme erschweren die Umsetzung. Gleichzeitig sorgen die teils unklaren technischen Vorgaben für Unsicherheiten bei der Interpretation und Anwendung dieser Form des Technologierechts.
Technische Anforderungen:
- Barrierefreie Gestaltung für Screenreader und andere Hilfsmittel
- Anpassung komplexer Interaktionsoberflächen
- Modernisierung von Alt-Systemen, die nicht barrierefrei sind
Rechtliche Herausforderungen:
- Unsicherheit bei der Gesetzesauslegung
- Abstimmung mit anderen Normen und Standards
- Risiko von Bußgeldern bei Nichteinhaltung
Empfohlen wird ein schrittweises Vorgehen, beginnend mit einer genauen Bestandsaufnahme. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Entwickler*innen und Jurist*innen kann die Umsetzung deutlich erleichtern.
Ressourcenengpässe in Unternehmen
Die Anforderungen des BFSG bringen nicht nur technischen Aufwand mit sich, sondern auch finanzielle Belastungen. Oft sind Investitionen in barrierefreie Technologien, Mitarbeiterschulungen und gegebenenfalls Produktneugestaltungen nötig. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist das – ähnlich wie der Datenschutz nach der DSVGO – eine Herausforderung.
Typische Kostenfaktoren:
- Anschaffung barrierefreier Software und Hardware
- Weiterbildung und Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen
- Umgestaltung bestehender Produkte und Dienstleistungen
Durch eine frühzeitige Planung und Integration von Barrierefreiheit in alle Entwicklungsphasen können Kosten besser verteilt und Ressourcen effizienter genutzt werden. Dies reduziert finanzielle Belastungen und erhöht die Erfolgschancen.
Risiken bei Nicht-Einhaltung (Bußgelder, Reputationsschäden)
Ein Verstoß gegen die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes kann schwerwiegende Folgen haben. Neben hohen Bußgeldern von bis zu 100.000 Euro drohen Reputationsverluste und behördliche Maßnahmen.
Konkrete Sanktionen:
- Marktüberwachungsbehörden können Produkte zurückrufen oder vom Markt nehmen (§ 26, 29 BFSG).
- Bußgelder für Hersteller und Händler bei fehlender CE-Kennzeichnung oder mangelhafter Produktinformation (§ 37 BFSG).
- Strafen für Dienstleister, wenn barrierefreie Informationen oder Leistungen fehlen.
Darüber hinaus können Verbraucher*innen oder Organisationen Verstöße melden, was zu zusätzlichen rechtlichen Schritten führen kann. Ein sorgfältiger Umgang mit Barrierefreiheit schützt Unternehmen daher vor finanziellen und imagebezogenen Risiken.
Wie Axiom Projektjurist*innen bei der Einhaltung unterstützen
Axiom bietet umfassende juristische Beratung und praktische Unterstützung bei der BFSG-Umsetzung – auch kurzfristig und über die gewünschte Laufzeit. Unsere Projektjurist*innen begleiten Unternehmen von der ersten Risikoanalyse bis zur finalen Strategie für die Compliance oder auf einem Teil des Weges. Sie helfen bei der Interpretation komplexer Gesetzestexte, erstellen rechtssichere Barrierefreiheitserklärungen und unterstützen bei der Dokumentation.
Zudem bieten wir Workshops und Schulungen an, um das Bewusstsein im Unternehmen zu stärken und praktische Handlungskompetenzen aufzubauen. Durch die enge Zusammenarbeit mit technischen Expert*innen gewährleistet Axiom eine ganzheitliche Beratung, die sowohl rechtliche als auch technische Anforderungen berücksichtigt. So können Unternehmen die Risiken minimieren und langfristig barrierefreie digitale Produkte sicherstellen.
Fazit
Die Umsetzung des BFSG ist anspruchsvoll, bietet aber große Chancen. Technische Komplexität, Ressourcenengpässe und kulturelle Veränderungen erfordern strategisches Handeln. Unternehmen, die Barrierefreiheit als festen Bestandteil ihrer Strategie verankern, verbessern die Nutzererfahrung und stärken ihre Marke nachhaltig.
Ob für die allgemeine Barrierefreiheit oder spezifische Fragen im Softwarerecht – professionelle Unterstützung durch spezialisierte Partner*innen wie Axiom hilft dabei, gesetzliche Vorgaben sicher und effizient zu erfüllen. Mit juristischer Expertise und praxisnaher Beratung begleitet Axiom auch Ihr Unternehmen auf dem Weg zur vollständigen BFSG-Compliance – für eine inklusive und zukunftsfähige digitale Präsenz.
FAQs
1. Welche Unternehmen sind vom BFSG betroffen?
Das BFSG betrifft vor allem Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher*innen bereitstellen. Dazu zählen u.a. Betreiber von Onlineshops, Banken, Telekommunikationsanbieterinnen sowie Hersteller von digitalen Geräten wie Computer oder Smartphones. Auch öffentliche Stellen sind verpflichtet, Barrierefreiheit umzusetzen.
2. Ab wann gelten die Anforderungen des BFSG?
Die Regelungen sind am 28. Juni 2025 in Kraft getreten. Seither müssen alle betroffenen Unternehmen ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten und regelmäßig überprüfen.
3. Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen das BFSG?
Bei Verstößen können Bußgelder bis zu 100.000 Euro verhängt werden. Außerdem drohen behördliche Maßnahmen wie Produktauslistungen oder Rückrufaktionen. Auch Reputationsschäden und mögliche Klagen von Betroffenen sind ernst zu nehmen.
4. Welche digitalen Produkte müssen barrierefrei sein?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz umfasst eine breite Produktpalette, darunter Computerhardware, Smartphones, Tablets, E-Book-Reader, Smart-TVs und Selbstbedienungsterminals. Auch Software und Apps, die von Verbraucher*innen genutzt werden, müssen barrierefrei gestaltet sein.
5. Wie können Projektjurist*innen bei der Umsetzung helfen?
Die Projektjurist*innen von Axiom unterstützen Unternehmen umfassend bei der BFSG-Umsetzung – auch kurzfristig, so lange wie erforderlich und im gewünschten Umfang. Sie prüfen gesetzliche Vorgaben, identifizieren Risiken und entwickeln maßgeschneiderte Compliance-Strategien. Mit ihrem Fachwissen sorgen sie dafür, dass Barrierefreiheit rechtlich und technisch einwandfrei umgesetzt wird. Durch kontinuierliche Beratung helfen sie, Bußgelder zu vermeiden und nachhaltige Lösungen langfristig zu sichern. So verbindet Axiom juristische Expertise mit praktischem Know-how und einer flexiblen Lösung für eine sichere BFSG-Compliance.
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Axiom Law
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