Das Vorbild für KI-Reife: Was führende Rechtsabteilungen von anderen unterscheidet
August 2025
By
Kelsey Provow

Neue Forschungsergebnisse zeigen, welche Verhaltensweisen und Strategien KI-reife Rechtsabteilungen ausmachen – und warum Geografie und Größe eine größere Rolle spielen, als Sie denken.
Die KI-Transformation im Rechtswesen verläuft nicht einheitlich – sie schafft deutliche Kompetenzstufen, die später kaum noch zu überbrücken sein könnten. Unsere aktuelle Studie mit über 600 erfahrenen juristischen Führungskräften zeigt nicht nur, wer vorne liegt, sondern auch, wie sie dorthin gekommen sind und was das für alle anderen bedeutet.
Unsere erste Vorschau zu dieser Studie hat die generelle Kluft beim Einsatz von KI hervorgehoben. Im Gegensatz dazu beleuchtet diese detaillierte Analyse die spezifische organisatorische DNA, die wirklich reife KI-Anwendende von jenen unterscheidet, die noch immer damit ringen, über die Experimentierphase hinauszukommen. Die Erkenntnisse sind so ermutigend wie ernüchternd: Es gibt klare Wege, die zu KI-Reife führen. Doch das Zeitfenster für die Aufholjagd schließt sich schneller als vielen bewusst ist.
Definition von KI-Reife: Mehr als einfach „KI nutzen“
Die meisten Rechtsabteilungen glauben, dass sie Fortschritte mit KI machen, weil sie ChatGPT nutzen oder sich für Copilot angemeldet haben. Unsere Studie zeigt: Diese Annahme ist auf gefährlich Art irreführend. Wahre KI-Reife misst sich nicht an der bloßen Nutzung von Tools, sondern an der strategischen Integration entlang dreier zentraler Dimensionen:
Zugang + Nutzung + strategische Implementierung = KI-Reife
Wir haben Rechtsabteilungen in drei unterschiedliche Reifegrade eingeteilt:
- Fortgeschritten (21 %): Umfassender Zugang, hohe regelmäßige Nutzung, strategischer Einsatz über mehrere Rechtsbereiche
- Wachsend (66 %): Weitreichender Zugang, aber uneinheitliche und fragmentierte Nutzung
- Gering (13 %): Erhebliche Zugangsbarrieren und kaum tatsächliche Nutzung, meist in Forschungsphase
Das überraschendste Ergebnis? Zugang allein sagt nichts über den Reifegrad aus. Einige Abteilungen mit unternehmensweitem KI-Zugang bleiben funktional unausgereift, weil ihnen die organisatorischen Fähigkeiten fehlen, um diese Tools effektiv zu nutzen.
Die Geografie der Vorreiter in KI-Reife
Die weltweite Verteilung der KI-Reife zeigt deutliche regionale Unterschiede:
Die Vorreiter:
- Singapur: 33% fortgeschritten – weltweit höchste Rate
- Kanada: 28% fortgeschritten – zweithöchste Rate
- Australien: 26% fortgeschritten – starke Position im asiatisch-pazifischen Raum
Die Mittelklasse:
- USA: 23% fortgeschritten – moderate Leistung trotz großem Markt
- Deutschland: 18% fortgeschritten – unterdurchschnittlicher Reifegrad
- Großbritannien: 17% fortgeschritten – ähnlich wie Deutschland
Der Ausreißer:
- Schweiz: 0 % fortgeschritten – keine Abteilung in der Umfrage erreichte den fortgeschrittenen Reifegrad
Diese regionalen Unterschiede sind auffällig, doch die Studie untersucht nicht, was sie genau verursacht. Die Daten werfen wichtige Fragen auf: Warum sind Singapurs Rechtsabteilungen so weit? Warum hinken ausgerechnet einige innovationsfreudige Märkte hinterher? Das Verständnis dieser Dynamiken ist entscheidend, um KI-Kompetenzen gezielt auszubauen.
Größe zählt, aber anders als gedacht
Die gängige Meinung lautet: Große Rechtsabteilungen sollten bei KI führend sein, da sie mehr Ressourcen und Technikexpertise haben. Unsere Daten zeichnen ein differenzierteres Bild:
Die Goldene Mitte: Mittlere Abteilungen (11-50 Personen)
- 56% sind fortgeschritten – die höchste Quote aller Größenklassen
- Groß genug für eigene KI-Initiativen, klein genug für Agilität
- 63% geringe KI-Reife – großes Potenzial für Wachstum
Die Nachzügler: Große Abteilungen (51–100+ Personen)
- Nur 18% fortgeschritten – erstaunlich in Anbetracht der Vorteile bei den Ressourcen
- Bürokratische Trägheit und risikoscheue Kultur bremsen Entscheidungen
- Komplexe Abstimmungsprozesse verzögern Implementierung
Die Aufsteiger: Kleine Abteilungen (1-10 Personen)
- 27% fortgeschritten – beachtlich für Teams mit begrenzten Ressourcen
- Innovationsdruck durch Notwendigkeit, Fokussierung auf Effizienz
Dieses Verhältnis zwischen Größe und Reife deutet darauf hin, dass organisatorische Agilität oft wichtiger ist als die reine Verfügbarkeit von Ressourcen bei der KI-Implementierung. Die erfolgreichsten Abteilungen haben ein gemeinsames Merkmal: Sie können nach einer Entscheidung schnell zur Umsetzung übergehen.
Die Beschaffungsfalle
Besonders besorgniserregend ist, wie Rechtsabteilungen KI-Tools beschaffen. Bei 45% läuft die komplette Beschaffung – von der Auswahl über die Prüfung bis zur Zahlung – intern in der Rechtsabteilung ab, trotz fehlender technischer Expertise zur Bewertung komplexer KI-Systeme. Nur 4% der Rechtsabteilungen arbeiten bei der KI-Beschaffung eng mit der IT zusammen – eine riesige verpasste Chance zur Nutzung von technischer Kompetenz und Risikomanagement. Selbst Teams mit fortgeschrittener KI-Reife zeigen diesen Trend. Das deutet auf übermäßiges Selbstvertrauen und mangelnde technische Prüfung bei kritischen Beschaffungsentscheidungen hin.
Diese „Do-it-yourself-KI“-Strategie birgt diverse Gefahren:
- Sicherheitslücken durch unzureichend geprüfte Tools
- Probleme bei der Integration in bestehende Systeme
- Compliance-Risiken beim Umgang mit Daten und Datenschutz
- Suboptimale Auswahl von Tools, basierend auf Marketing statt auf Leistung
Der Realitätscheck bei Investitionen
Bezüglich der Budgets zeigen die Daten die Dringlichkeit der Einführung von KI. Während 76% der Abteilungen ihre KI-Investitionen erhöhen, offenbaren regionale Unterschiede ein komplexeres Bild:
- Hongkong: 95% erhöhen Budgets, durchschnittlich +27% – Marktdruck treibt aggressive Investitionen voran
- Schweiz: 51% erhöhen Budgets, durchschnittlich +9% – konservative Haltung, die zum Wettbewerbsnachteil werden könnte
- Deutschland: 75% erhöhen Budgets, +33% im Schnitt – methodisches, aber entscheidendes Engagement
Diese Investitionsmuster verdeutlichen: Konservative Regionen riskieren, dauerhaft zurückzufallen, während Abteilungen mit hoher KI-Reife ihre Vorteile weiter ausbauen.
Der Kanzlei-Faktor
Die Beziehungen zu externen Rechtsberatungen fügen eine weitere Komplexitätsebene hinzu. Zwar setzen 79% der Kanzleien KI ein, aber nur 6% geben die Kosteneinsparungen an ihre Mandant*innen weiter. Interne Abteilungen sind somit mit einer bitteren Ironie konfrontiert: Sie müssen in KI-Kompetenz investieren, während ihre externen Berater*innen von KI-Effizienzgewinnen profitieren, die Kosteneinsparungen aber nicht an sie weitergeben.
Diese Dynamik macht interne KI-Reife noch wichtiger. Abteilungen, die ausgefeilte KI-Fähigkeiten entwickeln, können die Abhängigkeit von externen Berater*innen bei Routineaufgaben verringern und Effizienzgewinne direkt nutzen.
Der Weg nach vorn: Von den Besten lernen
Für Rechtsabteilungen, die schneller mehr KI-Reife erlangen wollen, zeigt die Studie mehrere wichtige Strategien auf:
- Auf Umsetzung statt auf Zugang konzentrieren: Verwechseln Sie Verfügbarkeit von Tools nicht mit organisatorischer Kompetenz. Abteilungen mit hoher KI-Reife zeichnen sich durch systematische Implementierung aus, nicht nur durch den Erwerb von Tools.
- Governance-Infrastruktur priorisieren: Richtlinien, Schulungen und Risikomanagementrahmen ermöglichen eine nachhaltige KI-Einführung. Ohne diese Grundlagen verursachen selbst ausgefeilte Tools mehr Probleme, als sie lösen.
- Externe Expertise strategisch nutzen: Die reifsten Abteilungen kombinieren interne Kompetenzen mit externen KI-Spezialist*innen und vermeiden so die Fallen bei der Beschaffung, die so viele Organisationen plagen.
- Regional und wettbewerbsorientiert denken: Das Verständnis des regionalen Wettbewerbsumfelds hilft, die Dringlichkeit von KI-Investitionen einzuschätzen. Konservative Märkte bieten Aufholpotenziale, während aggressive Märkte sofortiges Handeln erfordern.
Fazit
Bei der KI-Reife von Rechtsabteilungen geht es nicht um Technologie, sondern um organisatorische Transformation. Abteilungen, die an der Spitze stehen, teilen gemeinsame Merkmale: strategische Vision, systematische Umsetzung, risikobewusstes Experimentieren und die organisatorische Agilität, um sich schnell weiterzuentwickeln.
Den 79% der Abteilungen, deren KI-Fähigkeiten noch im Wachstum oder gering sind, gibt diese Studie sowohl Hoffnung als auch eine Warnung. Es gibt klare Wege zur Reife, doch sie erfordern mehr als die Einführung von Tools. Die Frage ist nicht, ob Ihre Abteilung irgendwann KI nutzen wird, sondern ob Sie die organisatorischen Fähigkeiten entwickeln, sie strategisch einzusetzen, bevor Ihre Wettbewerber ihre Vorteile zementieren.
Die Kluft bei der KI-Reife ist real, messbar und wächst. Aber noch ist sie nicht unüberwindbar.
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Veröffentlicht von
Kelsey Provow
Kelsey Provow is an award-winning writer and editor passionate about sharing unique and thought-provoking narratives. After obtaining her master's degree in professional writing, she has spent over a decade writing across multiple industries, including publishing, academia, and legal.
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