Betriebsbedingte Kündigung: Voraussetzungen & rechtliche Hinweise
September 2025
By
Axiom Law

Betriebsbedingte Kündigungen zählen zu den häufigsten Formen arbeitgeberseitiger Kündigungen – nicht zuletzt, weil sie vergleichsweise leichter durchsetzbar sind. Dennoch gelten hohe rechtliche Anforderungen: Unternehmen müssen den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs konkret belegen und gesetzliche Vorgaben zur Sozialauswahl einhalten.
Für Arbeitnehmende kann eine betriebsbedingte Kündigung zwar mit einer Abfindung enden, allerdings ist nicht jede Kündigung rechtswirksam. Eine sorgfältige Prüfung ist entscheidend, um unrechtmäßige Kündigungen zu erkennen oder anzufechten. Dieser Beitrag erklärt, wann eine Kündigung aus betrieblichen Gründen zulässig ist, wie Unternehmen rechtssicher vorgehen und wie Axiom sie dabei unterstützen kann.
Wann liegt eine betriebsbedingte Kündigung vor: Definition & Gründe
Eine betriebsbedingte Kündigung erfolgt, wenn ein Arbeitsplatz dauerhaft wegfällt – sei es aufgrund interner oder externer Faktoren. Mögliche Gründe hierfür sind unter anderem:
- wirtschaftliche Schwierigkeiten
- Umstrukturierungen
- Auftragsrückgang
- Technologiewandel
Entscheidend ist, dass der konkrete Beschäftigungsbedarf entfällt und keine alternativen Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen bestehen. Die Kündigung ist nur zulässig, wenn keine milderen Mittel wie Versetzung möglich sind.
Bei mehreren betroffenen Arbeitnehmenden muss eine rechtlich saubere Sozialauswahl erfolgen – also die Prüfung, welche*r Mitarbeiter*in sozial am wenigsten schutzwürdig ist. Nur bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist die betriebsbedingte Kündigung wirksam.
Abgrenzung zu personen- und verhaltensbedingter Kündigung
Eine betriebsbedingte Kündigung stützt sich auf strukturelle oder wirtschaftliche Notwendigkeiten im Unternehmen – etwa Umstrukturierungen, Standortschließungen oder Auftragsrückgänge. Bei Personen- und verhaltensbedingten Kündigungen hingegen liegen Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin.
Dabei ist die rechtliche Differenzierung entscheidend, denn jede Kündigungsart unterliegt eigenen Voraussetzungen:
- Verhaltensbedingte Kündigung: Setzt ein steuerbares Fehlverhalten voraus – zum Beispiel unentschuldigtes Fehlen oder Arbeitsverweigerung.
- Personenbedingte Kündigung: Hier kann der oder die Arbeitnehmer*in vorhandene Pflichten trotz zumutbaren Willens dauerhaft nicht erfüllen – etwa bei anhaltender Krankheit oder Verlust der Berufserlaubnis.
Wichtig: Gerade bei verhaltensbedingten Kündigungen fordern Gerichte oft eine vorherige Abmahnung.
Rechtliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit
Damit eine betriebsbedingte Kündigung wirksam ist, reicht ein allgemeiner Hinweis auf schlechte Auftragslage oder wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht aus. Das Kündigungsschutzgesetz stellt hohe Anforderungen an die Begründung – und diese müssen im Streitfall vor dem Arbeitsgericht nachvollziehbar belegt werden.
Arbeitgeber*innen müssen konkret darlegen, warum der Beschäftigungsbedarf dauerhaft entfällt, warum keine Weiterbeschäftigung möglich ist und wie die Sozialauswahl erfolgt ist. Nur wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Kündigung rechtlich Bestand haben.
Dringende betriebliche Erfordernisse
Ein zentrales Kriterium für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die den Wegfall des Arbeitsplatzes rechtfertigen. Diese Gründe können wirtschaftlicher, technischer oder organisatorischer Natur sein. Dazu zählen etwa:
- Auftragsrückgang oder Umsatzeinbruch
- Umstrukturierungen oder Rationalisierungsmaßnahmen
- Betriebsschließungen oder Standortverlagerungen
Dabei kommt es nicht auf die finanzielle Lage des Unternehmens an, sondern auf den nachhaltigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Arbeitgeber*innen müssen im Streitfall konkret darlegen, weshalb die Entscheidung zum Wegfall eines Arbeitsplatzes geführt hat. Die Anforderungen an diese Begründung sind durch die Rechtsprechung hoch (vgl. BAG, Urteil vom 23.02.2012, Az. 2 AZR 548/10).
Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes
Es reicht nicht aus, dass das Unternehmen insgesamt weniger Personal benötigt – entscheidend ist, dass der konkrete Arbeitsplatz des*r Arbeitnehmenden dauerhaft entfällt. Das bedeutet, die bisherige Tätigkeit kann nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Form ausgeübt werden, zum Beispiel durch Umstrukturierungen, Digitalisierung oder Auslagerung.
Wenn die Aufgabe jedoch von anderen Mitarbeitenden übernommen oder durch Umverteilung weitergeführt wird, fehlt diese Voraussetzung. Der dauerhafte Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes ist daher ein zentraler und genau zu prüfender Punkt bei der rechtlichen Beurteilung.
Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden darf, sind Arbeitgeber*innen verpflichtet zu prüfen, ob der oder die Arbeitnehmende auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann. Diese Pflicht umfasst auch zumutbare Versetzungen oder Umschulungen. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschlossen sind, ist eine Kündigung zulässig.
Wichtig: Arbeitgeber*innen müssen die Weiterbeschäftigung auch in anderen Betrieben desselben Unternehmens prüfen – nicht aber in anderen rechtlich selbstständigen Gesellschaften eines Konzerns. Eine Änderungskündigung ist ebenfalls zu erwägen, wenn eine Weiterbeschäftigung nur unter anderen Bedingungen möglich ist (vgl. BAG, Urteil vom 29.08.2013, Az. 2 AZR 721/12).
Sozialauswahl gemäß § 1 KSchG
Betreffen betriebliche Veränderungen nicht nur einen einzelnen Arbeitsplatz, sondern müssen mehrere Beschäftigte aus vergleichbaren Positionen gekündigt werden, ist eine sogenannte Sozialauswahl durchzuführen. Dabei sind folgende Kriterien maßgeblich:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten
- Schwerbehinderung
Arbeitnehmende, die im sozialen Vergleich besonders schutzwürdig sind, sollen dem Willen des Gesetzgebers entsprechend möglichst im Unternehmen verbleiben. Ausnahmen sind jedoch zulässig, wenn bestimmte Beschäftigte aus betrieblichen Gründen unverzichtbar sind (sog. Leistungsträgerklausel gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Im Streitfall muss ein Unternehmen die getroffene Auswahlentscheidung umfassend und nachvollziehbar begründen können.
Interessenabwägung
Bei der Interessenabwägung wird geprüft, ob das Interesse des Unternehmens an der Kündigung das Interesse des Arbeitnehmenden an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Die Kündigung ist nur zulässig, wenn die Fortsetzung für den/die Arbeitgeber*in unzumutbar ist, etwa wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder betrieblicher Erfordernisse (§ 1 Abs. 3 KSchG).
Dabei fließen Dauer des Arbeitsverhältnisses, Verhalten der arbeitnehmenden Person, Unterhaltsverpflichtungen und Folgen der Kündigung für beide Seiten ein. Selbst wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine betriebsbedingte Kündigung an der Interessenabwägung scheitern, wenn die Fortsetzung für den/die Arbeitgeber*in zumutbar bleibt.
Formale Anforderungen an die Kündigung
Ein wichtiger Aspekt für die Wirksamkeit einer Kündigung sind die formalen Anforderungen. Damit eine betriebsbedingte Kündigung rechtswirksam ist und gegebenenfalls vor Gericht standhält, muss sie alle vorgeschriebenen Formalien erfüllen.
Schriftform & Begründung
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin persönlich unterschrieben sein. Kündigungen per E-Mail, WhatsApp oder Fax sind unwirksam. Nur Personen mit entsprechender Vertretungsbefugnis dürfen kündigen – etwa eingetragene Geschäftsführer*innen oder Personalleiter*innen mit Vollmacht.
Anhörung des Betriebsrats
Wenn ein Betriebs- oder Personalrat im Unternehmen existiert, muss dieser vor der Aussprache der betriebsbedingten Kündigung unbedingt angehört und informiert werden. Ebenso sind die gesetzlich oder vertraglich festgelegten Kündigungsfristen einzuhalten. Werden diese Vorgaben missachtet, ist die Kündigung allein aus formalen Gründen unwirksam.
Einhaltung gesetzlicher Fristen
Unternehmen müssen ie gesetzlich oder vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist beachten. Nach § 622 Abs. 2 BGB richten sich die Kündigungsfristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit: Sie beginnen bei vier Wochen und können bis zu sieben Monate betragen. Abweichungen sind in Arbeits- oder Tarifverträgen möglich, müssen aber die gesetzlichen Mindeststandards erfüllen.
Häufige Fehler und rechtliche Risiken
Bei betriebsbedingten Kündigungen drohen vor allem Fehler in der Sozialauswahl oder durch mangelhafte Dokumentation und unzureichende Prüfung der betrieblichen Erfordernisse. All das kann die Kündigung unwirksam machen und teure Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen. Arbeitgeber*innen sollten daher besonders sorgfältig vorgehen, um Risiken zu minimieren und die rechtliche Wirksamkeit zu sichern.
Fehler bei der Sozialauswahl
Ein häufiger Fehler ist die fehlerhafte Sozialauswahl. Wenn Arbeitgeber*innen soziale Kriterien wie Alter, Unterhaltspflichten oder Betriebszugehörigkeit nicht berücksichtigen, kann die Kündigung unwirksam sein. Dies gilt insbesondere, wenn Arbeitnehmende die Kündigungsschutzklage fristgerecht innerhalb von drei Wochen einreichen.
Mangelhafte Dokumentation
Es kommt oft vor, dass das betriebliche Erfordernis nicht ausreichend belegt wird oder Entscheidungen auf falschen Annahmen beruhen. Weitere häufige Fehler sind Verstöße gegen Kündigungsfristen, fehlende oder mangelhafte Anhörung des Betriebsrats sowie das Nichtbeachten von Interessenausgleichs- oder Nachteilsausgleichsvereinbarungen.
Eine Kündigung muss wie bereits erwähnt immer schriftlich auf Papier erfolgen. Kündigungen per Fax, E-Mail, SMS oder in anderen elektronischen Formen sind unwirksam. Außerdem muss eine Unterschrift erkennbar sein – Initialen oder bloße Kürzel reichen nicht aus. Ein unterschriftsloses Kündigungsschreiben ist ebenfalls unwirksam.
Wenn eine Vertreter*in die Kündigung ausspricht, muss die Person über eine Vollmacht verfügen. Wenn diese fehlt, kann der/die Arbeitnehmer*in die Kündigung „unverzüglich“ (innerhalb einer Woche) zurückweisen.
Risiken im Kündigungsschutzprozess
Nach Erhalt einer Kündigung hat der/die Arbeitnehmer*in drei Wochen Zeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Ein Kündigungsschutzprozess kann sich über Monate bis Jahre ziehen und birgt für Arbeitgeber*innen das Risiko hoher Nachzahlungen über den sogenannten Verzugslohn und eines belasteten Arbeitsverhältnisses. Arbeitgeber*innen können dieses Risiko durch Zeugnisse, Stellenangebote oder Vermittlungshilfen mindern.
Es gibt Umstände, die eine Kündigungsschutzklage nahelegen, wie eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung oder eine fragwürdige fristlose Kündigung. Andererseits sprechen Faktoren wie ein sehr kurzer Beschäftigungszeitraum oder ein vorhandenes Abfindungsangebot gegen eine Klage.
Wie Axioms Projektjurist*innen unterstützen können
Betriebsbedingte Kündigungen sind für Unternehmen rechtlich komplex und bergen viele Fallstricke – von der Auswahlentscheidung über die korrekte Kommunikation bis hin zur rechtssicheren Dokumentation. Die Projektjurist*innen von Axiom bieten maßgeschneiderte Unterstützung für HR-Teams und Unternehmensjurist*innen in jeder Phase des Prozesses.
Unsere erfahrenen Fachanwält*innen für Arbeitsrecht begleiten Sie nicht nur bei der rechtlichen Bewertung und Umsetzung von Kündigungen. Sie helfen Ihnen auch bei der Risikoabwägung, strategischen Planung und Kommunikation mit Betriebsräten. Zudem helfen wir bei der Dokumentation, Prüfung der Kündigungsberechtigung und der Gestaltung rechtssicherer Unterlagen. Bei drohenden Kündigungsschutzprozessen stehen wir Ihnen ebenfalls beratend oder mit operativer Unterstützung zur Seite.
Fazit
Betriebsbedingte Kündigungen sind rechtlich anspruchsvoll und können für Arbeitgeber*innen erhebliche Risiken mit sich bringen – insbesondere bei formalen Fehlern oder wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Umso wichtiger ist es, jede Kündigung im Vorfeld sorgfältig zu prüfen und korrekt zu begründen. Nur so können Unternehmen vermeiden, dass arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen zu einer Rücknahme der Kündigung oder zu kostspieligen Nachzahlungen führen.
Eine professionelle rechtliche Begleitung erhöht nicht nur die Erfolgschancen im Falle eines Kündigungsschutzprozesses, sondern schützt auch das Unternehmen vor Reputations- und Haftungsrisiken. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen lohnt es sich, auf fundierte juristische Expertise zurückzugreifen.
FAQs
-
Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig?
Eine betriebsbedingte Kündigung ist zulässig, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung unmöglich machen. Dazu zählen zum Beispiel Auftragsrückgänge, Standortschließungen oder organisatorische Umstrukturierungen. Voraussetzung ist außerdem, dass der konkrete Arbeitsplatz dauerhaft entfällt und keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz besteht.
-
Welche Voraussetzungen müssen Arbeitgeber*innen in Deutschland erfüllen?
Damit eine betriebsbedingte Kündigung wirksam ist, müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein: Es müssen dringende betriebliche Gründe vorliegen, der Arbeitsplatz muss dauerhaft wegfallen, eine Weiterbeschäftigung darf nicht möglich sein, und es muss eine ordnungsgemäße Sozialauswahl erfolgen. Zudem sind formale Anforderungen wie Schriftform, Anhörung des Betriebsrats und die Einhaltung von Kündigungsfristen zwingend einzuhalten. Bei Verstößen können Arbeitnehmende die Kündigung vor Gericht anfechten.
-
Was versteht man unter Sozialauswahl?
Die Sozialauswahl ist ein gesetzlich vorgeschriebener Schritt bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn mehrere vergleichbare Arbeitnehmende betroffen sein könnten. Arbeitgeber*innen müssen dabei soziale Gesichtspunkte wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung berücksichtigen. Ziel ist es, diejenigen Mitarbeitenden zu schützen, die sozial am stärksten auf den Arbeitsplatz angewiesen sind. Fehler bei der Sozialauswahl können zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
-
Welche Fehler können bei betriebsbedingten Kündigungen auftreten?
Häufige Fehler sind z. B. eine unzureichend dokumentierte unternehmerische Entscheidung, eine nicht korrekt durchgeführte Sozialauswahl oder das Versäumnis, den Betriebsrat anzuhören. Auch formale Mängel wie eine fehlende Unterschrift, falsche Kündigungsfristen oder der Nachweis des Zugangs können zur Unwirksamkeit führen. Solche Fehler bieten Arbeitnehmenden die Möglichkeit, mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Entlassung vorzugehen. Daher ist eine gründliche rechtliche Prüfung jeder Kündigung unerlässlich.
Veröffentlicht von
Axiom Law
Related Content
EU AI Act – Was Unternehmen in Deutschland jetzt wissen müssen
EU AI Act: Neue Anforderungen für Unternehmen bei KI-Nutzung. Überblick über Pflichten, Risiken und Umsetzung der Compliance.
EU Data Act – Was Unternehmen in Deutschland zukommt
EU Data Act: Neue Regelungen für Unternehmen im Umgang mit Daten. Überblick über Pflichten, Herausforderungen & Umsetzung mit juristischer Unterstützung.
Corona-Krise: So stellen Sie Ihre Rechtsabteilung gut auf
Axiom hat eine Checkliste für Rechtsabteilungen aufgestellt, mit aktuellen und künftigen Aufgaben in der Corona-Krise.